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Einführung in die Fotoausstellung „Alice im Wunderland“

Christine Schings, Soziologin, Universität Freiburg

 In drei psychiatrischen Kliniken des Dreiländerecks, dem Centre Hospitalier im elsässischen Rouffach, den Universitären psychiatrischen Kliniken Basel und dem Zentrum für Psychiatrie Emmendingen wurde im Jahr 2008 ein grenzüberschreitendes Theaterprojekt mit insgesamt 60 Teilnehmern realisiert.

Die Psychiatrie hat ja eine lange Tradition in Bezug auf Theater, Kunst und Kultur, bisher aber immer in einem therapeutischen Zusammenhang. Das ist auch eine Besonderheit dieses Projekts: Hier war die Kultur nicht Bestandteil der Therapie, sondern fand in einem therapiefreien Raum statt, was sehr wichtig ist, weil es nämlich bedeutet, dass dort niemand von einem anderen beurteilt wurde. Die Projektidee stammt von unseren Nachbarn aus Frankreich, wo es ein nationales Programm „Kultur im Krankenhaus“ gibt.

Eine weitere Besonderheit ist, dass sich Patienten, Heimbewohner und Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen der Klinik für dieses Theaterprojekt zusammengefunden haben, um ein Theaterstück nach Motiven von Alice im Wunderland und Alice hinter den Spiegeln zu erarbeitet, zu dem es zu Beginn der Probearbeiten kein Drehbuch gab: Sowohl das Stück (Regie: Raimund Schall) als auch die eigens dafür komponierte Musik (Joe Killi), die Choreographie (Regula Wyser) und die Kostüme und das Bühnenbild (Yvonne Lötz) wurden von den beteiligten Künstlern gemeinsam und in Absprache mit den Teilnehmern erarbeitet.

Dieser Prozess wurde von Projektbeginn an von der Universität Freiburg wissenschaftlich begleitet. Dabei war die Frage der soziologischen Begleitforschung: Welche Wirkung, welchen Nutzen hat das Projekt für die Beteiligten? Nun könnte ich Ihnen Methoden benennen und von Interviews, Transkriptionen und Auswertung erzählen. Es gibt aber einen viel besseren Weg, den Erfolg des Projektes zu beschreiben:

Die Bilder von Regina Lenz, die Sie gleich sehen werden, erzählen das, was sich schlecht in Worte fassen lässt bzw. darüber hinausgeht: die Fotos erzählen von der Reise, die die Mitwirkenden im Verlauf der zehnmonatigen Probenarbeit bis hin zu den öffentlichen Aufführungen in Basel, Freiburg und Mulhouse, Strassburg und Karlsruhe gemacht haben.

Ich möchte Ihnen dazu noch einige Worte mit auf den Weg geben, Zitate von Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die stellvertretend für viele weitere Äußerungen stehen und davon handeln, wie sie das Projekt erlebt haben:

„Es ist eine riesige Erfahrung, ein riesiges Geschenk. Du lernst die Menschen kennen und kriegst ein völlig anderes Bild, weil da vorher diese Vorurteile waren. Und das geht auf einmal weg, weil da Herzlichkeit kommt.“

„Man macht Sachen, da hätte ich vorher nie gedacht, dass das möglich ist, aber es geht: Wir spielen jetzt im Stadttheater.“

„Manchmal denke ich, es ist ein bisschen wie im Himmel. Wie in diesem schwedischen Film, weißt Du? Am Anfang waren wir alle ganz unauffällig, x-beliebig und sind dadurch ins Leben gerufen“

Die wunderschönen Arbeiten der Fotografin Regina Lenz fangen diesen Prozess ein und zeigen in sehr poetischen Tönen Bewegungen, Spielfreude, Annäherung und gemeinsames Erleben. Sie beginnen mit den ersten grenzüberschreitenden Begegnungen und enden mit der öffentlichen Aufführung.

Die Dokumentation des Theaterprojekts bot Regina Lenz immer wieder Gelegenheit für hautnahe, ungewöhnliche, fast schon intime Fotos. Sie porträtiert Menschen in einer Bewegung, einem Zurückschauen, einem Lächeln, einem Auftritt. Was auf den ersten Blick als Zufall erscheint, erweist sich auf den zweiten als Ergebnis einer genauen Beobachtungsgabe. Dabei hat sie keine fertigen Bilder im Kopf, sondern sie ist dabei, nähert sich an, schaut - und dann entstehen Kompositionen, die vom Leben der Menschen erzählen.

In einem Interview sagte eine Teilnehmerin zu mir: „Ich hoffe, dass der Traum von Alice weitergeht.“ Ich bin deshalb sehr froh, dass wir heute hier sind, mit den Freunden aus Basel, Rouffach und Emmendingen und allen anderen Gästen. Wir möchten uns an dieser Stelle sehr herzlich bei der Sparkasse Freiburg und der Sparkasse Emmendingen bedanken, die das Entstehen der Fotoarbeiten ermöglicht und die Ausstellung in jeder Phase unterstützt haben. Herzlichen Dank auch an die Illenau-Stiftung, das Mercedeshaus Schmolck und die Seelsorge am Zentrum für Psychiatrie Emmendingen für ihre Unterstützung.

Auch unser musikalisches Rahmenprogramm zeugt davon, dass der Geist des Projektes weiterlebt: Frau Männel-Schabinger, die Teilnehmerin im Theaterprojekt war, hat uns eingangs ein Präludium von Johann Sebastian Bach in D-moll gespielt, danach einen Bolero von Julián Arcas. Jetzt nimmt sie uns mit zu einem Abstecher nach Paris zu Jaques Bosch. Der Titel des Stückes passt zu unserem Abend, es heißt „étoiles et fleurs“, Sterne und Blumen und trägt den Untertitel „rêverie“, Träumerei. Und so kommen wir über die Träumerei von Jaques Bosch zum Traum von Alice.

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Betrachten der Fotografien von Regina Lenz. Vielen Dank für Ihr Kommen!


Rede anlässlich der Vernissage am 19.04.2010